Arzt/ Ärztin sein und selbst Behandlung als bipolar Erkrankte(r) benötigen ?
Warum ist es so viel schwerer, selbst behandelt zu werden, als andere zu behandeln?
Die Distanz, die Übersicht, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sind in einer Krankheitsphase plötzlich weg.
Was brauche ich in dieser Ausnahmesituation von meinem Arzt/meiner Ärztin?
- Bitte sehen Sie in mir den Menschen; nicht (nur) den Kollegen/die Kollegin.
- Wenn ich heute vor Ihnen sitze, brauche ich dringend Hilfe. Es fiel mir sehr schwer, hierher zu kommen.
- Haben Sie bitte auch Respekt vor mir, denn ich kann nichts dafür, dass ich diese chronisch rezidivierende Krankheit habe und aktuell alleine nicht mehr weiterweiß und verzweifelt bin.
- Bitte keine Vorwürfe, denn ich habe die Krankheitsausbrüche in nur geringen Teilen mitzuverantworten; jetzt hat mich die Krankheit in der Hand, macht mich hilflos, verzweifelt, wütend, traurig, euphorisch, unbeherrscht, maßlos, beleidigend, überheblich und gemein.
- Ich schäme mich deswegen dafür. Versuchen Sie deshalb, diskret zu sein.
- Lassen Sie sich nicht von meinen wohlgewählten, glatten, medizinischen und kollegialen Worten sowie meinem Verhalten in die Irre führen. Ich habe es schließlich mal gelernt, was „verrückt“ klingt und was nicht.
- Ich habe gelernt, mich zusammenzureißen, um arbeitsfähig zu bleiben. Besprechen Sie meine Arbeitsfähigkeit mit mir. Geben Sie mir bitte den Schutz, den ich als kranker Mensch brauche, ungeachtet meines Dienstplanes.
- Besprechen Sie die Medikation und das Vorgehen mit mir. Mein Kopf denkt sowieso jeden Schritt mit, den Sie veranlassen.
- Geben Sie mir zu verstehen, dass Sie mir helfen wollen, meine Notlage sehen, als Arzt/ Ärztin für mich da sind - ungeachtet meiner Profession.
- Vielleicht fühlen Sie sich als Behandler(in) etwas unwohl bei der Vorstellung Kollegen zu therapieren. Das ist in Ordnung; es liegt eben nicht allen Behandlern. Wir kennen solch ein Gefühl durchaus auch aus unserem eigenen Berufsalltag im Gesundheitswesen. Manche von uns behandeln gerne Kollegen; andere eher nicht. Das wird respektiert.
- Deshalb bitten wir Sie in diesem Fall, uns an einen anderen Kollegen(in) zu überweisen. Helfen Sie uns bitte mit der Einleitung einer Weiterbehandlung, denn in einer Erkrankungsphase benötigen wir dringend Hilfe.
Dr. med. Gabriele Schöck, Referat Selbst Betroffene Profis