Psychotherapeutische Verfahren werden bei der Behandlung von bipolaren Erkrankungen mit Erfolg eingesetzt. Oft ist eine Kombination aus medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung notwendig und sinnvoll, um eine optimale Therapie für die Patienten zu gewährleisten. Hierbei kommen unterschiedliche Therapieformen zum Einsatz, die gängigsten sollen in einem kurzen Überblick dargestellt werden.
Die Grundannahme der Verhaltenstherapie ist, dass menschliches Verhalten und Erleben erlernt wird und somit auch wieder „verlernt“ werden kann. Oft sind ungünstige Gedankenabfolgen an der Entstehung von negativen oder problemverursachenden Gefühlen und Verhaltensweisen beteiligt. Gemeinsam versuchen Therapeut und Patient, diese Gedankenfolgen und die daraus entstehenden Gefühle, Wahrnehmungen und Verhaltensweisen zu verstehen und neue Verhaltens- und Erlebnismuster mit unterschiedlichen Methoden einzuüben. Die Verhaltenstherapie ist eine sehr problem- und handlungsorientierte Form der Therapie. Die Therapiesitzungen finden normalerweise einmal pro Woche statt und sind auf 25 bis 40 Stunden angelegt.
Für die auf Sigmund Freud zurückgehende psychoanalytische Therapie sind Ursachen und Lösungsansätze der aktuellen Probleme in der Vergangenheit zu suchen und liegen im Unterbewussten. Die therapeutische Auseinandersetzung mit unbewussten Konflikten und verdrängten Gefühlen und Erinnerungen ermöglicht psychische Entwicklungsprozesse. In der Analyse hält sich der Therapeut selbst zurück, mit Hilfe von Übertragungs- und Gegenübertragungsprozessen, freier Assoziation etc. werden die Konflikte erneut durchlebt und verarbeitet. Diese Form der Therapie ist aufwendiger, pro Woche finden ca. 2 bis 3 Sitzungen statt, wobei die Therapiedauer mehrere hundert Stunden betragen kann.
Die Therapieform basiert auf der psychoanalytischen Theorie. Es wird ein innerpsychischer zentraler Konflikt herausgearbeitet und anhand von diesem mögliche Ursachen der psychischen Problematik in der Vergangenheit und in der Persönlichkeit des Patienten gesucht. Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie arbeitet dabei das Konfliktmuster hinter aktuellen Problemen heraus (im „Hier und Jetzt“). Eine Langzeitherapie nimmt bei wöchentlich stattfindenden Sitzungen von einer Stunde Dauer ungefähr 50 bis 80 Stunden in Anspruch.
Die sogenannte „klientenzentrierte“ Therapie. Der Mensch wird bei dieser Therapieform als Ganzes in seiner Umwelt wahrgenommen. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch eigentlich nach Selbstverwirklichung strebt und die Möglichkeiten, an sich zu arbeiten, in sich trägt. Grundlage der Therapie ist die empathische Haltung und Echtheit des Therapeuten und eine wertungsfreie Akzeptanz der Anliegen des Patienten. Im klientenzentrierten Gespräch wird durch Beachtung der gefühlsmäßigen Bedeutung der Inhalte versucht, ein Verständnis des Patienten und ein Annehmen seiner selbst zu erreichen.
Es wird davon ausgegangen, dass eine Einheit von Körper, Geist und Seele besteht. Unvollständig verarbeitete Erfahrungen werden im Hier und Jetzt bearbeitet. Der Patient wird motiviert, sich den Problemen zu stellen und die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Hierdurch sollen dem Patienten alle Teile seiner Persönlichkeit, die Gefühle und seine Bedürfnisse bewusst werden.
Der Patient wird in Zusammenhang seiner Bezugspersonen, also der Familie, Freunde und seiner Umgebung gesehen. Die psychische Erkrankung wird als Ausdruck einer Störung im Verhaltens- und Kommunikationsmuster gesehen. Die psychische Problematik wird als Problematik des sozialen Systems verstanden und es wird gemeinsam mit dem Patienten und auch seinen Bezugspersonen eine Lösung erarbeitet.
Der erkrankte Mensch und dessen Familie sind therapeutischer Mittelpunkt. Eine schwierige Familiensituation oder die Umgangsmuster können Auslöser für die Erkrankung sein. Die Therapieform schafft ein Bewusstsein für die Familie als zentrale Unterstützungsquelle und umfasst ein Gesprächs- und Problemlösetraining.
Die meisten Vorgänge des Lebens laufen nach einer „inneren Uhr“ ab. Bei bipolaren Menschen ist diese „verstellt“, oft dominiert eine chaotische Lebensweise, die eine erneute Krankheitsentstehung fördern kann. Das Bewusstsein für regelmäßige Abläufe soll entwickelt werden, eine Tages- und Nachtstruktur soll geschaffen werden. Diese Regelung wirkt stimmungsstabilisierend.
Dr. Daniel Schöttle
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Lesen Sie hierzu auch unsere Zeitschrift InBalance, Heft 1/2006 mit dem Schwerpunktthema "Psychotherapie bei Bipolaren Störungen".
"Psychotherapie und Psychoedukation bei Bipolaren Störungen"
Chat-Protokoll
mit Dr. phil. Dipl.-Psych. Petra Wagner
Iserlohn
05.09.2024Studie zur Behandlung der Bipolaren Depression
Studie zur Behandlung der Bipolaren Depression mittels einer innovativen, rasch wirksamen Substanz am Studienzentrum Dresden