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DGBS Stellungnahme zu Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie

Stellungnahme der DGBS zur neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes über Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie

Die zunehmende Humanisierung der Psychiatrie, nicht zuletzt dank der UN-Behindertenrechtskonvention, ist grundsätzlich sehr zu begrüßen. Durch die oben erwähnte jüngste Rechtssprechung ist jedoch eine große Unsicherheit bei der Behandlung psychiatrischer Notfälle entstanden. In der bei der DGBS selbstverständlichen trialogischen Zusammenarbeit von Betroffenen, Angehörigen und Professionellen nehmen wir hierzu wie folgt Stellung.

Bei der Bipolaren Störung gibt es zwei Extrembeispiele in den Krankheitsphasen. In der Depression ist es die akute Suizidalität und in der Manie die hohe Eigen- und Fremdgefährdung, zum Beispiel als Autofahrer. Die Definition der Eigengefährdung wurde in letzter Zeit dermaßen verschärft, dass eine Person sich in der Manie finanziell und sozial ruinieren kann und auch darf und so vielerorts eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik auch gegen den Willen des Patienten aus diesem Grund trotz vorliegenden psychiatrischen Notfalls nicht mehr möglich ist. Auch wird bei Krankheitsuneinsichtigkeit in der Manie eine Unterbringung und gegebenenfalls Zwangsmedikation immer schwieriger. Dadurch gab und gibt es immer wieder Fälle, in denen Betroffene über Monate während der manischen Hochphasen ihre soziale und oft auch finanzielle Existenz ruinieren. Familien und Partnerschaften zerbrechen, der Arbeitsplatz geht unwiderruflich verloren und die Schuldenberge häufen sich. Die Angehörigen bzw. das soziale Umfeld muss dabei fassungs- und hilflos zusehen. Auch den professionellen Helfern sind nunmehr zunehmend die Hände gebunden. Bei fachgerechter stationärer Behandlung hingegen ist eine Manie meistens rasch spätestens nach 6 bis 8 Wochen abgeklungen, ohne Behandlung dauert sie mitunter sogar ein ganzes Jahr. Bezüglich Suizidalität bei der Depression gilt Ähnliches.

Für die DGBS ist es wichtig zu fordern, dass der Umgang mit Fremd- und Eigengefährdung bezüglich Manie und Depression für alle involvierten Institutionen klar und insbesondere auch für Betroffene nachvollziehbar geklärt ist. Das ist in der Regel die Situation des psychiatrischen Notfalls, bei dem Zwangsmaßnahmen wie Unterbringung gegen den Willen des Betroffenen, Zwangsmedikation, Fixierung u.ä. aufgrund der Gefährdung notwendig sein können. Wir alle wollen, dass dies nicht oder nur im seltensten Fall angewandt wird, aber es wird leider im psychiatrischen Alltag immer wieder notwendig. Hier haben die Gerichtsurteile der letzten Zeit große Verunsicherung in der Versorgung in den psychiatrischen Kliniken, aber auch im jeweiligen gemeindepsychiatrischen Verbund gebracht. Die DGBS fordert, dass die gesetzgebenden Parlamente nun rasch diesen Missstand durch klare Gesetze und Ausführungsbestimmungen beheben.

Wichtig ist uns auch, dass die Zwangsbehandlungsmaßnahmen auf das notwendige (individuelle) Maß beschränkt werden. Notwendig im Sinne der Vertrauensbildung und -erhaltung ist auch, dass die Kliniken ihre Entscheidungen für eine Zwangsmedikation oder eine andere Zwangsmaßnahme für die Betroffenen, ihre Angehörigen und die Öffentlichkeit transparenter machen. Hierzu ist eine Verpflichtung zur Nachbesprechung mit dem Betroffenen (im nicht mehr akuten Zustand) ebenso sinnvoll wie eine statistische Erfassung der Häufigkeit solcher Maßnahmen, wie es in manchen Bundesländern bereits schon Pflicht ist. Auch wünschen wir uns in diesem ethisch komplexen Bereich trialogisch besetzte Beiräte an jeder psychiatrischen Klinik sowie staatliche Besuchskommissionen bundesweit.

Ziel sollte stets sein, bei den Betroffenen Krankheitseinsicht und langfristige Verhaltensänderungen (wie z.B. Frühsymptommanagement und Rezidivprophylaxe) unter Miteinbeziehung der Angehörigen zu fördern. Hier ist individuell angepasste ärztliche und pflegerische „Manpower“ im sektorübergreifenden Sinne (ambulant bis stationär) gefragt! Ebenso ist der Ausbau eines flächendeckenden Selbsthilfenetzwerkes für bipolar Betroffene und deren Angehörige dringend erforderlich, um so Betroffene leichter zu erreichen und zur Einsicht zu führen bzw. so auch Wege zu finden, mit der Erkrankung leben zu lernen. Nur durch eine enge trialogische Vernetzung von Professionellen, Betroffenen und Angehörigen sowie moderne Behandlungskonzepte (vgl. die aktuellen Versuche mit Integrierter Versorgung oder Home Treatment) wird es möglich sein, die Anwendung von Zwang in diesen psychiatrischen Notfällen zukünftig zu minimieren bzw. möglicherweise überflüssig zu machen.

Dresden, 31. August 2012

Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (DGBS)
Der Gesamtvorstand

Stellungnahme Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie

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