Das Problem der fehlenden Krankheitseinsicht in einer Manie stellt sich vielen Angehörigen. Eines der Merkmale der Manie ist es ja, dass sich der Betroffene so gesund wie noch nie fühlt und keinen Grund sieht, diesen oft mit Euphorie verbundenen Zustand zu verändern, während das Umfeld dies verständlicherweise ganz anders betrachtet. Selbst „erfahrene“ bipolar Betroffene, die schon einige Episoden mit allen unangenehmen Konsequenzen durchlebt haben, lassen sich immer wieder vom Sog der Manie verführen und werfen alle geplanten Vorsichtsmaßnahmen über Bord – einschließlich der geregelten Medikamenteneinnahme. Der Versuch, ihn zu einer Behandlung zu überreden, kann zu heftigen Auseinandersetzungen führen, da für viele Maniker jeder Widerspruch ein rotes Tuch darstellt.
Eine Zwangseinweisung in eine psychiatrische Einrichtung ist nur dann möglich, wenn eine eindeutige Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt. So lange sich der Betroffene noch einigermaßen in einem gesellschaftlich akzeptablen Rahmen bewegt, lässt sich da nichts machen. Viele Maniker entwickeln zudem ein erstaunliches Schauspieltalent und es gelingt ihnen damit, „offizielle“ Personen wie die Polizei und auch Ärzte von ihrer Gesundheit zu überzeugen.
Während man in einer Hypomanie, also der leichten Form einer Manie, noch zugänglich ist und sich eventuell umstimmen lässt, ist dies beim Vollbild einer Manie so gut wie unmöglich; man ist dann schlichtweg nicht mehr erreichbar.
Eine allgemeingültige Antwort auf diese Frage gibt es also – leider! - nicht. Oft bleibt tatsächlich nur, das Geschehen schweren Herzens laufen zu lassen, sich zu distanzieren und das Ende der Episode abzuwarten. Erst dann wird der Betroffene wieder zu einer Einsicht fähig sein und, da er sich jetzt womöglich in einer quälenden Depression befindet, so viel Leidensdruck verspüren, dass einer Behandlung sogar gerne zugestimmt wird.
Es gibt allerdings auch Menschen mit Bipolarer Störung, die sich weder im „Normalzustand“ noch in der Depression zu einer Behandlung entschließen, weil sie sagen, „Das ist ein Teil meiner Persönlichkeit, den ich nicht unterdrücken will“. In diesem Fall ist guter Rat wirklich teuer und man muss sich als Angehöriger überlegen, ob man gewillt ist, die aus dieser Haltung resultierenden Stimmungsschwankungen und Konflikte mitzutragen oder ob eine Trennung aus Selbstschutz nicht der bessere Weg wäre.
Sehr hilfreich kann es sein, schon im Vorfeld zu stabilen Zeiten in Absprache mit dem Betroffenen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Dies kann zum Beispiel eine Kontovollmacht sein, um wenigstens die schlimmsten materiellen Schäden zu begrenzen. Ein solcher Krisenplan kann auch einen Vertrag enthalten, in dem der Betroffene zustimmt, sich im Ernstfall zu einem Arzt begleiten zu lassen. Doch auch das stellt keine hundertprozentige Garantie dar. Was einem bipolar Betroffenen in der phasenfreien Zeit als fürsorgliche Unterstützung erscheint, kann er in der Manie als Bevormundung, Gängelung oder sogar als Entmündigung auffassen. Der richtige Umgang mit der Krankheit bleibt also immer eine Gratwanderung.
Am sinnvollsten ist es, bereits in guten Krankheitsphasen ein Vertrauensverhältnis zu einem Psychiater/Psychotherapeuten aufzubauen. Besteht bereits ein Kontakt, dann ist es für den Betroffenen leichter, sich dort „vorzustellen“ und vom Fachmann eine Einschätzung des momentanen seelischen Zustands zu bekommen. Es geht dabei nicht darum, dass der Fachmann den Betroffenen gleich in die Klinik bringen oder mit Medikamenten sedieren soll, sondern eher darum, eine zusätzliche Beurteilung von einem kompetenten unabhängigen Dritten einzuholen. Ist dieser dann ebenfalls der Meinung, dass die Stimmung zu euphorisch, gehoben oder gereizt ist, kann man gemeinsam überlegen, was die notwendigen Schritte sein könnten (z.B. Medikamente höher dosieren oder umstellen, intensive ambulante Betreuung, Tagesklinik oder einige Tage „Auszeit“ in einer stationären Einrichtung).
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