Textgröße
Kontrast
Have this page translated into English by Google

Schwerbehinderung / Probleme im Alltag?

„Ich habe durch die Bipolare Störung Probleme am Arbeitsplatz/in der Schule/im Studium. Sollte ich einen Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis stellen?"

Hier kann eine offene Aussprache mit dem Arbeitgeber/Klassenlehrer/Tutor oder mit dem Schulpsychologen/studentischen psychologischen Dienst hilfreich sein (siehe auch den Punkt „Wie gehe ich mit dem Stigma einer psychischen Erkrankung um?“). In den allermeisten Fällen werden Sie auf Verständnis und Hilfsbereitschaft treffen.

Weisen Sie Ihre Gesprächspartner auf die Webseite der DGBS und die Infomationsbroschüre hin und bitten Sie darum, sich näher zu dem Thema zu informieren.

In der DGBS-Beratung erreichen uns häufig Anfragen dazu, ob und wie man mit einer Bipolaren Störung die Anerkennung einer Schwerbehinderung beantragen kann. Warum sollte man dies tun? Als Mensch mit einer psychischen Störung und insbesondere mit einer anerkannten Schwerbehinderung steht man unter einem besonderen Schutz und es werden Nachteilsausgleiche, wie beispielsweise Behinderten-Pauschbeträge bei der Steuer, Kündigungsschutz, diverse Ermäßigungen oder eine frühere abschlagsfreie Altersrente zugesprochen.

Zu diesem Thema versuchen wir nachfolgend einen allgemeinen Überblick zu bieten. Die Informationen sind allgemein gehalten und ohne juristische Gewähr. Insbesondere bei individuellen Sachverhalten sollte juristischer Rat eingeholt werden, beispielsweise bei Fachanwält*innen für Sozialrecht oder aber bei einem der Sozialverbände sowie den Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatungen (EUTB).

Was ist eine Schwerbehinderung?
Laut Sozialgesetzbuch liegt eine Behinderung vor bei „Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können“. Neben körperlichen Ursachen können auch diverse psychische Erkrankungen eine solche Beeinträchtigung herbeiführen. Demnach können auch Bipolare Störungen, je nach Ausprägung, für eine (Schwer-)Behinderung ursächlich sein.

Das Bundesversorgungsgesetz legt fest, wann eine Person als behindert gilt und welcher Grad der Behinderung (GdB) bzw. Grad der Schädigung (GdS) ihr zugesprochen wird. Man spricht in diesem Zusammenhang übrigens nicht von Prozenten und ist demnach beispielsweise nicht zu 50 % behindert, sondern man hat einen Grad der Behinderung von 50.
Als Mensch mit Behinderung gilt, wer einen GdB von 20 anerkannt bekommen hat. Eine Schwerbehinderung besteht bei einem GdB von 50 oder mehr. Um die Anerkennung und gegebenenfalls einen Schwerbehindertenausweis zu bekommen, muss ein Antrag beim örtlich zuständigen Versorgungsamt gestellt werden. Dieses ermittelt mithilfe medizinischer Informationen den GdB.
Die Formulare, Ansprechpartner und weitere Hinweise finden Sie u.a. auf der Seite www.einfach-teilhaben.de oder wenden Sie sich für Unterstützung bei der Antragstellung an eine Ergänzende Unabhängige Teilhabe-Beratungsstelle (EUTB) vor Ort.

Der GdB bestimmt, welche Nachteilsausgleiche man in Anspruch nehmen kann. Eine gute Übersicht dafür findet sich auf www.betanet.de. Und diese Broschüre fasst viele weitere Infos dazu zusammen. (Es gelten jedoch gesonderte Regelungen beispielsweise für Beamt*innen.)

Die Bipolaren Störungen werden in der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), welche die Grundlage für die Beurteilung und Anerkennung einer (Schwer-)behinderung darstellt, unter die Schizophrenen und Affektiven Psychosen gefasst (Kapitel 3.6 im Teil B). Nachfolgend wird aufgeschlüsselt, welcher Grad der Behinderung bei welcher Einschränkung anerkannt werden kann:

Auszug aus der VersMedV

GdB

Langdauernde (über ein halbes Jahr anhaltende) Psychose im floriden Stadium je nach Einbuße beruflicher und sozialer Anpassungsmöglichkeiten

50-100

Schizophrener Residualzustand (z.B. Konzentrationsstörung, Kontaktschwäche, Vitalitätseinbuße, affektive Nivellierung) mit geringen und einzelnen
Restsymptomen ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten

– mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten

– mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten

– mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten

10-20

 

30-40

50-70

80-100

Affektive Psychose mit relativ kurz andauernden, aber häufig wiederkehrenden Phasen

- bei 1 bis 2 Phasen im Jahr von mehrwöchiger Dauer je nach Art und Ausprägung

- bei häufigeren Phasen von mehrwöchiger Dauer

 

30-50

60-100

Nach dem Abklingen lang dauernder psychotischer Episoden ist eine Heilungsbewährung von zwei Jahren abzuwarten. GdS während dieser Zeit, wenn bereits mehrere manische oder manische und depressive Phasen vorangegangen sind: 50, sonst 30.
Eine Heilungsbewährung braucht nicht abgewartet zu werden, wenn eine monopolar verlaufene depressive Phase vorgelegen hat, die als erste Krankheitsphase oder erst mehr als zehn Jahre nach einer früheren Krankheitsphase aufgetreten ist.

Das bedeutet, dass eine Anerkennung einer (Schwer-)behinderung nur erfolgen kann, wenn die angegebenen Zustände oder Einschränkungen gemäß der VersMedV vorliegen. Diese sollten durch eine ärztliche Stellungnahme, im Idealfall der aktuell Behandelnden (Psychiater, Klinik o.ä.), bestätigt werden.

Das Versorgungsamt wird nach Antragstellung um die Nennung der Behandelnden und Entbindung von der Schweigepflicht zum Einholen von Befunden bitten. Dies führt häufig dazu, dass die Bearbeitungszeit stark verlängert wird. Man kann das Antragsverfahren in der Regel beschleunigen, indem man dem Antrag eine ärztliche Stellungnahme beilegt, die nicht nur die Diagnose und aktuelle Therapie, sondern auch die vorliegenden Einschränkungen privater, und ggf. beruflicher, Natur bestätigt.
Die reine Diagnose und aktuelle Therapie zu nennen reicht in der Regel nicht aus. Oft gehen die ausgegebenen ärztlichen Stellungnahmen jedoch nicht darüber hinaus. Es sollten darin die individuellen Einschränkungen aufgeführt werden. Selbst kann man
den Vorgang auch unterstützen, indem man eine Übersicht der eigenen Krankheitsgeschichte beifügt. Hier kann man beispielsweise die Krankheitsphasen und Dauern, Klinikaufenthalte, Therapieansätze etc. aufführen und eine Auflistung der vorliegenden
Einschränkungen ergänzen. So wird es dem Gutachter leichter fallen eine Entscheidung über den Antrag zu treffen. Eine persönliche Begutachtung findet in der Regel nicht statt.

Es stellt sich manchmal die Frage, wie Anpassungsschwierigkeiten im Sinne der VersMedV bezüglich ihres Schweregrades eingeschätzt werden können. Was sind die Kriterien dafür? Hierzu gibt www.dgbrechtsschutz.de an:
Leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen vor, wenn eine Berufstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt trotz Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße noch ohne wesentliche Beeinträchtigung möglich ist. Außerdem darf eine wesentliche
Beeinträchtigung der familiären Situation oder bei Freundschaften nicht bestehen.
Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen vor, wenn eine psychische Veränderung eine weitere berufliche Tätigkeit grundsätzlich noch erlaubt, aber bereits eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingt. Als weiteres Kriterium gelten erhebliche
familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung. Es darf aber noch keine Isolierung geben. Auch ein sozialer Rückzug, der etwa eine vorher intakte Ehe oder Freundschaft stark gefährden könnte, darf noch nicht erfolgt sein.
Schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen vor, wenn die weitere berufliche Tätigkeit sehr stark gefährdet oder ausgeschlossen ist. Weitere Kriterien sind schwerwiegende Probleme in der Familie oder im Freundes- oder Bekanntenkreis bis zur Trennung von der Familie, vom Partner oder vom Bekanntenkreis.“


Was bedeutet „Gleichstellung“?
Durch eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen, über die die jeweils zuständige Arbeitsagentur entscheidet, können Menschen mit einem GdB von 30 oder 40 bestimmte Rechte erhalten, die grundsätzlich erst ab einem GdB von 50 bestehen.
Diese Gleichstellung erfolgt nur auf Antrag und bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 2 Abs. 3 SGB IX. Demnach können Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber mindestens 30, mit schwerbehinderten Menschen (d.h. Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50) gleichgestellt werden. Voraussetzung dafür ist, dass sie ohne diese Gleichstellung ihren Arbeitsplatz voraussichtlich nicht behalten können, oder dass sie die Gleichstellung zur Erlangung eines neuen, geeigneten Arbeitsplatzes benötigen. Man erhält auf diese Weise ebenfalls einen gewissen Kündigungsschutz und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Man erhält jedoch nicht die Berechtigung für alle Nachteilsausgleiche, die ein Mensch mit Schwerbehinderung in Anspruch nehmen kann.
 

Was sind „Merkzeichen“?
Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis kennzeichnen die Art der Behinderung und ermöglichen damit verbundene zusätzlichen Leistungen und Nachteilsausgleiche. So gibt es beispielsweise das Merkzeichen B, das kennzeichnet, dass eine Begleitung erforderlich ist. Damit wird es ermöglicht, eine Begleitperson kostenlos oder vergünstigt zu befördern oder zu Veranstaltungen mitzunehmen, damit der Person mit Schwerbehinderung und dem Merkzeichen eine Teilhabe ermöglicht wird. Daneben gibt es noch weitere Merkzeichen, die in Bezug auf Bipolare Störungen weniger relevant sind, deren Übersicht und Rechtsgrundlagen jedoch unter www.schwerbehindertenausweis.de ebenso zu finden sind wie eine Übersicht über die jeweiligen Nachteilsausgleiche auf www.betanet.de.
 

Und wenn mehrere Einschränkungen vorliegen?
Es bietet sich an, bei der Antragstellung alle vorhandenen Einschränkungen aufzulisten, sowohl die psychischen als auch die körperlichen. Ein Blick durch die gesamte Versorgungsmedizin-Verordnung kann dabei hilfreich sein, um nichts zu vergessen.
Der Gesamt-Grad der Behinderung wird auf Grundlage aller Einschränkungen berechnet. Dabei wird nicht aufsummiert, sondern es wird der höchste GdB für eine Einschränkung/Erkrankung betrachtet und bewertet, ob durch weitere Einschränkungen/Erkrankungen ein höherer GdB aufgrund einer zusätzlichen Schwere gewährt wird.

Stand: 15.12.2023, NS

News

25.04.2024Studie zur Behandlung der Bipolaren Depression

Studie zur Behandlung der Bipolaren Depression mittels einer innovativen, rasch wirksamen Substanz am Studienzentrum Dresden

Weitere Informationen und [… weiterlesen]
nach oben
IE 10
IE 11
Cookies ermöglichen Ihnen die bestmögliche Nutzung dieser Website. Wenn Sie diese Website weiter nutzen, erklären Sie sich mit unseren Datenschutzrichtlininen einverstanden.. Bestätigung mit »OK« schließt diesen Hinweis. Mehr Infos / Datenschutzerklärung